Michel Eyquem de Montaigne (1533-1592)

war Jurist, Politiker, philosophischer Vertreter des Skeptizismus, Humanist und Begründer der Essayistik. Er gehört zu den prägensten und einflussreichsten Persönlichkeiten seiner Epoche.


Person, Wirken, Vermächtnis

Montaigne stammte aus einer adeligen Familie bei Bordeaux, die – wie sein Zweitname anzeigt – auch Bezüge zum heute berühmten Weingut Chateau d’Yquem aufwies. Nach dem Studium der Jurisprudenz in Bordeaux und Toulouse wirkte Montaigne von 1557 bis zu seinem Rückzug aus dem politischen Leben kurz nach dem Tod seines Vaters 1570 als Parlamentsrat (conseiller du parlement) in Bordeaux. Fortan zog er sich auf seinen Landsitz zurück, um dort in seiner Turmbibliothek sein essayistisches Vermächtnis zu schaffen. Sie bildete sein geistiges Refugium angesichts des Bürgerkrieges. In den Jahren 1572-1573 kommt es zur Abfassung des ersten Bandes seiner Essais. Von 1577-1580 entsteht der zweite Band. Diese zweite Lebensphase Montaignes erschöpfte sich allerdings nicht in rein geistiger Reflexion, sondern war auch geprägt von intensiver Reiseaktivität nach Deutschland, in die Schweiz und Italien (1580/1581) und zwei Amtsperioden als Bürgermeister von Bordeaux (1581-1585). Im Anschluss an diese politische Tätigkeit kommt es zur Niederschrift des dritten Bandes der Essais (1586-1587). Seine Ablehnung des öffentlichen Lebens und Neigung zur gelehrten Muße (otium) sind demnach weder dogmatisch durchgehalten noch gänzlich unüblich für seinen gesellschaftlichen Stand und in seinem Epochenkontext gewesen und dennoch bestimmendes Leitprinzip seiner vita. Ihr entsprechen seine tief empfundenen Verweigerung gegenüber Autorität und Letztgültigkeit sowie eine gewisse Furchtlosigkeit (preud’homie), denen er in seinen Schriften Ausdruck verleiht.  


Essayistik

Der bzw. das Essay (von frz. essai; lat. exagium „das Wägen, „das Gewichten“, lat. exigere „abwägen“, „überprüfen“, „beurteilen“) bezeichnet eine Abhandlung, ein Traktat, dass das gesamte Spektrum gesellschaftlicher, wissenschaftlicher oder kultureller Themen zum Gegenstand haben kann. Er zeichnet sich durch die Offenheit seiner Form und die Vielgestaltigkeit der Inhalte aus. Ihm ist ein unsystematischer, experimenteller, durch Perspektivenvielfalt gekennzeichneter Zugriff in Gestalt persönlicher Auseinandersetzung des Autors mit der Themenstellung eigen. Typischerweise handelt es sich um erste Deutungs- und Denkversuche, die sich durch ein hohes Maß an Verständlichkeit und eine gewisse Leichtigkeit auszeichnen. Charakteristisch ist zudem eine gewisse Kürze. Diese Merkmale qualifizieren ihn auch als den „großen Bruder“ des Aphorismus. Als literarische Gattung geht der Essay auf Michel de Montaigne zurück, der seinerseits an die Adagia von Erasmus von Rotterdam anknüpfte.


Skeptizismus (und Humanismus)

Skeptizismus bezeichnet eine philosophische Richtung, die den systematischen Zweifel zum zentralen Ausgangs- und Bezugspunkt des Denkens erhebt. Sie steht einer letztverbindlichen, menschlichen Erkenntnis von Wirklichkeit und Wahrheit kritisch gegenüber und bildet einen Gegensatz zum Dogmatismus. Der Skeptizismus blickt auf eine lange, wirkmächtige Geschichte zurück und weist verschiedene Strömungen auf, die von der antiken über die pyrrhonische und mittelalterliche bis hin zur modernen Skepsis reichen. Michel de Montaignes Leben und Werk sind emblematisch für diese philosophische Richtung. Bereits sein Lebensmotto „Que sais-je“ (Was weiß ich?), das er Mitte der 1570er Jahre zum Wappen erkor, gibt von dieser axiomatischen Skepsis Zeugnis. Weitere bedeutende Vertreter des Skeptizismus neben Montaigne sind u.a.: Arkesilaos, Cicero, Pyrrhon von Elis, Sextus Empiricus, Karneades, Agrippa von Nettesheim, Nikolaus von Kues, Erasmus von Rotterdam, Francisco Sanches, David Hume, Immanuel Kant, Odo Marquard, Thomas Nagel, Hilary Putnam, Stanley Cavell und Markus Gabriel.    


Aphorismen

Nicht zuletzt ist Michel de Montaigne durch seine vielen, zum Teil besinnlichen und zum Teil erheiternden Aphorismen bekannt. Eine Selektion der besten Aphorismen finden Sie hier.